Der Verband Bildung und Erziehung begrüßt den Antrag der Fraktion der CDU.
Mit der Revision des Kinderbildungsgesetzes KiBiz wurden die Aspekte der frühkindlichen Bildung konkretisiert. Diese Konkretisierung, die durchaus begrüßenswert gewesen ist, ist allerdings verbunden mit einer höheren Arbeitsbelastung der Erzieherinnen und Erzieher und steigert das ohnehin hohe Arbeitsvolumen des Personals, ohne die für diese Konkretisierung notwendigen personellen und finanziellen Anpassungen der Rahmenbedingungen in den Kindertageseinrichtungen vorzunehmen.
Aus Sicht des VBE muss die Landesregierung endlich folgende Aspekte stärker in den Blick nehmen und letztlich optimieren:
- Das immer komplexer werdende Arbeitsfeld der Erzieherinnen und Erzieher
- Der Erzieher-Kind-Schlüssel
- Die fehlende Honorierung der Vor- und Nachbereitungszeit
- Die Sicherung der Fort- und Weiterbildung
- Die fehlenden Urlaubs- und Krankheitsvertretungen
- Die Unterfinanzierung durch die Kindpauschalen
- Der Erziehermangel
Zu:
1. Das immer komplexer werdende Arbeitsfeld der Erzieherinnen und Erzieher
Das Arbeitsfeld in den Kindertageseinrichtungen hat sich enorm gewandelt. Durch die Schärfung des Bildungsverständnisses im KiBiz, die U3-Betreuung, Inklusion, Bildungsvereinbarung, Dokumentation der Bildungswege eines jeden Kindes, Neuausrichtung der alltagsintegrierten Sprachbildung und der damit verbundenen Dokumentation der Sprachentwicklung, steigende Ganztagsbetreuung, Vereinbarkeit Familie und Beruf, Mittagessen für alle Kinder (Buchungszeit 35 - 45 Stunden), Partizipation, Kooperation mit den Grundschulen und anderer Akteure der Jugendhilfe, Erziehungspartnerschaft mit Eltern u.a. kommen auf das Personal in den Einrichtungen immer mehr Aufgaben zu, die in hoher pädagogischer Qualität erfüllt werden sollen. Durch die Stärkung des Wunsch- und Wahlrechtes der Eltern in Bezug auf die Angebotsformen und der Begleitung der Bildungswege der Kinder wird der Anspruch an Beratung und Information durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer höher und komplexer. Und dies bei völlig unzulänglichen Rahmenbedingungen. Hier ist aus Sicht des VBE dringender Handlungsbedarf gegeben.
2. Der Erzieher-Kind-Schlüssel
Die Mindeststandards der Europäischen Union sehen vor:
- 1 Fachkraft für 3 Kinder bis 1,5 Jahre
- 1 Fachkraft für 4 Kinder bis 3 Jahre
- 1 Fachkraft für 8 Kinder zwischen 3 Jahre und Schuleintritt
Die reale Situation in NRW sieht anders aus. Laut Bertelsmannstiftung hat sich der Erzieher-Kind-Schlüssel im Ländermonitoring Frühkindliche Bildung im Mai 2015 leicht verbessert, „uf eine vollzeitbeschäftigte Kita-Fachkraft kommen in Nordrhein-Westfalen durchschnittlich 3,6 ganztags betreute Krippen- oder 9,5 Kindergartenkinder."* Es ist aber so, dass NRW im Ländermonitoring immer noch im unteren Mittelfeld liegt. Zudem sieht die Realität im Kindergartenalltag noch ganz anders aus, denn die Zahlen beinhalten weder Vor- und Nachbereitungszeiten, Urlaubs-, Krankheits-, Fort- und Weiterbildungsvertretung. Aus Sicht des VBE ist diese Situation kaum tragbar und die geforderten Mindestbesetzungen laut KiBiz sind nicht gegeben. Hier ist dringender Handlungsbedarf, wenn frühkindliche Bildung wichtig ist und Erzieherinnen in ihrer wichtigen Arbeit gestärkt und entlastet werden sollen.
3. Die fehlende Honorierung der Vor- und Nachbereitungszeiten
Der VBE hat in seiner Stellungnahme im April 2014 bereits darauf hingewiesen, dass gute pädagogische Arbeit, Erziehungspartnerschaft mit Eltern, Dokumentationsarbeit u.vm. Zeit braucht. Hier hat sich aber nichts verändert. Der VBE fordert 30 % der Arbeitszeit als Vor- und Nachbereitungszeit festzuschreiben. Hier gilt es endlich Farbe zu bekennen und diese Zeit im Personalschlüssel auszuweisen.
4. Die Sicherung der Fort- und Weiterbildung
Es reicht aus Sicht des VBE nicht aus, dass in NRW eine Qualifizierungsvereinbarung zur Umsetzung der alltagsintegrierten Sprachbildung und Beobachtung abgeschlossen wird, aber keine Vereinbarung besteht, die grundsätzlich die Fort- und Weiterbildung für das immer komplexer werdende Aufgabenfeld in den Kindertageseinrichtungen regelt.
Wer – vollkommen richtig – eine höhere Qualität, Qualifizierung und Qualifikation in den Einrichtungen fordert, muss auch dafür Sorge tragen, dass Fort- und Weiterbildung für das Personal geregelt werden.
Aufgaben wie Inklusion, Flüchtlingskinder, Integration, U3 Betreuung, Dienstplangestaltung, Leitungstätigkeit, Teamarbeit, Gesundheitsförderung, Umsetzung neuer Hygienevorschriften, um nur einige Aspekte der Arbeit zu nennen, sind Alltag in den Einrichtungen, allerdings müssen die Träger sie finanzieren, die Kindpauschalen reichen hierfür bei weitem nicht aus. 3
Fortbildung ist aber für die Motivation und Weiterentwicklung der MitarbeiterInnen in den Tageseinrichtungen unabdingbar. Hier steht jedes Mal aber auch die Organisationsfrage im Raum, bei den knappen Personalschlüsseln muss aus Sicht des VBE die Vertretungsfrage endlich zufriedenstellend geregelt werden.
5. Die fehlenden Urlaubs- und Krankheitsvertretungen
Die Urlaubsansprüche sind gestiegen. Die Schließungszeiten der Einrichtungen werden aber aufgrund der Vereinbarkeit von Familie und Beruf immer weniger. Dies bedeutet, dass immer mehr Urlaubstage außerhalb der Ferien genommen werden müssen. Bei den knappen Personaldecken in den Einrichtungen wird dies immer schwieriger und führt zu defizitären Betreuungssituationen.
Die Krankheitstage in den Einrichtungen steigen ebenfalls. Nicht nur der „eiche Virenpool" verursacht in den Einrichtungen stetig steigende Krankheitsausfälle, auch die Arbeitsbelastung und die körperlichen Anstrengungen führen zu immer mehr Langzeitausfällen. Vertretung – selten oder erst nach langer Ausfallzeit. Dies ist aus Sicht des VBE unhaltbar, denn diese Unterbesetzungen führen wieder zu Mehrbelastungen und letztlich in einen Teufelskreis der Vertretungsfrage.
Hier muss in der Personalbemessung nachgebessert werden und zwar schnell.
6. Die Unterfinanzierung durch die Kindpauschalen
Die vorgenannten Aspekte machen deutlich, dass der Mindestpersonalschlüssel in den wenigsten Einrichtungen tatsächlich zum Tragen kommt und durch zusätzliche Finanzierungen wie die U3-Pauschale, Sprachfördermittel oder Verfügungspauschale nicht ausgeglichen werden kann.
Die Finanzierung läuft dabei längst aus dem Ruder. Die Kindpauschale führt zu einer Unterfinanzierung, die das System Kindertageseinrichtungen extrem belastet. Der VBE fordert eine dringende Überprüfung des Finanzierungssystems, denn gute Bildung braucht stabile Rahmenbedingungen.
7. Der Erziehermangel
In NRW fehlen Erzieherinnen und Erzieher. Es ist schwierig, gut qualifizierte Kräfte zu finden und zeitnah Stellen zu besetzen. Laut Bertelmannstiftung bieten „n Nordrhein-Westfalen die Kitas jungen Erzieherinnen vergleichsweise wenig attraktive Arbeitsverhältnisse. Mehr als die Hälfte der ausgebildeten Fachkräfte unter 25 Jahren (58 Prozent) haben in Nordrhein-Westfalen einen befristeten Vertrag. In keinem anderen Bundesland ist die Befristungsquote für diese Altersgruppe ähnlich hoch. Bundesweit liegt sie bei rund 40 Prozent. Eine ebenfalls eher geringe Bindung an den Arbeitgeber zeigt sich auch in einigen Tätigkeitsbereichen. Während die Kita-Leitungen als Stammpersonal zumeist unbefristet angestellt sind, hat in Nordrhein-Westfalen von den gruppenübergreifend tätigen Fachkräften und den Zweitkräften in einer Gruppe jede vierte einen Zeitvertrag. 4
Von den Inklusionsfachkräften sind sogar 42 Prozent lediglich befristet angestellt. Bundesweit trifft das auf 31 Prozent der Fachkräfte zu, die Kinder mit Behinderung betreuen."*
Im Antrag der CDU wird angesprochen, dass gute Bildungsarbeit Zeit und qualifizierte Kräfte benötigt. Dies ist eine alte VBE Forderung, aber wir in NRW sind davon weit entfernt.
Fazit:
Der VBE begrüßt die Initiative der CDU „Frühkindliche Bildung braucht Zeit - Erzieherinnen in ihrer wichtigen Arbeit stärken und entlasten!" Dieser Blick auf den Elementarbereich ist wesentlich, denn die Erzieherinnen und Erzieher leisten in ihrem Alltag viel über ihre Arbeitszeit hinaus und dies trotz mangelnder Wertschätzung in Politik und Gesellschaft.
Die Forderung nach einer Untersuchung der Arbeitsanforderungen und ein Pilotprojekt zur verwaltungsminimierten Kindertagesbetreuung mag ein Ansatz sein, allerdings sieht der VBE, dass die Zeit für weitere Untersuchungen und Pilotprojekte abgelaufen ist.
Wir brauchen jetzt mehr qualifiziertes Personal in den Kindertageseinrichtungen, gesicherte Erzieher-Kind-Schlüssel, Vor- und Nachbereitungszeiten, eine Sicherung der Fort- und Weiterbildung, Urlaubs- und Krankheitsvertretungen und eine auskömmliche Finanzierung dieses Bereichs, um die qualitative Kindertagesbetreuung zu sichern und das Personal in den Einrichtungen in seiner hochprofessionellen Arbeit zu stärken.
06.11.15
Udo Beckmann
Vorsitzender VBE NRW
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